Medienwandel? Na sowas!


Das was jetzt passiert, war eigentlich überfällig. Unmengen abends und nachts bedrucktes Papier werden mit großen Lastwagen unter viel CO2-Ausstoß zu alten Menschen transportiert und von unterbezahlten Verteilern zu schlaftrunkener Zeit in die Briefkästen gesteckt.
Der Senior blättert beim Frühstück und bekommt dabei schwarze Finger. Aufmerksam liest er einen Wetterbericht, der auf Daten vom Vortag 13 Uhr basiert.
Auf der Seite 1 fühlt er sich wieder an den vergangenen Abend erinnert. Sogar die Reihenfolge der Nachrichten entspricht der Abfolge in der Tagesschau.

Immer weniger machen da mit. Die Senioren sterben aus, die Nachwachsenden informieren sich anders. Es ist Medienwandel!

Jetzt ist das große Geflenne da. Der Print-Journalismus geht den Berg runter. Axel Springer verkauft seine Regionalzeitungen, die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland gehen pleite. Ganze Zeitungsredaktionen werden abgewickelt.

Ich kann verstehen, wenn ein Drucker beunruhigt, wenn ein Zeitungslayouter verunsichert ist, aber ein Ende des Qualitätsjournalismus kann ich nirgends sehen. Denn guter Journalismus muss nicht zwangsläufig auf Papier verbreitet werden.

Es gibt viele gute Beispiele von aufwändigem und attraktivem Journalismus jenseits der Ausgabeform Papier. Was aber die Print-Journaille in Wirklichkeit gerade beklagt, ist der dramatische Bedeutungsverlust. Auflagenrückgänge im zweistelligen Prozentbereich jedes Jahr, Anzeigenkunden, die lieber zielgruppengenau online präsent sind und die wirklich attraktiven Broschüren über „Einkauf aktuell“ von der Deutschen Post vertreiben lassen. Für die Zeitungen bleiben kleinteilige Anzeigen für Inkontinenzvorlagen und Treppenlifte.

Es kann doch jeder sehen, was hier gerade stirbt. Ein Blick in einen S-Bahn-Waggon reicht. Die Menschen agieren mit ihren Smartphones, haben Kopfhörer auf, nur selten sitzt da einer mit Tageszeitung. Selbst ein Kindle-eBook-Reader ist inzwischen häufiger anzutreffen. Insgesamt werden mehr Medien genutzt denn je.

Warum also haben nur so wenige Journalisten, die doch eigentlich mit offenen Augen durch die Welt gehen sollten, die letzten Jahre genutzt, um sich für andere Ausgabekanäle des Journalismus fit zu machen? Warum kleben die meisten so am Papier wie Uhu? Ist es die Gewohnheit, sind sie müde, ausgebrannt, sind sie zu satt? Wie sollen sie dann eigentlich noch den Qualitätsjournalismus machen, von dem sie bei jeder Zeitungspleite wieder faseln? Wie sollen sie gute Geschichten aufspüren, wenn sie nichts mehr merken?

Und was ist eigentlich Qualitätsjournalismus? Leitartikel, ewiges Geseier, das sich schwer lesen lässt und weder Freude noch wirkliche Erkenntnis bringt?

Die Suppe haben sich die Verlage selbst eingebrockt. Erst verschenkten sie mit den Rubrikenmärkten ohne Gegenwehr eine wichtige Finanzierungsgrundlage. Jetzt machen sich Immoscout etc. logischerweise satt an dem gewaltigen Markt. Dann fingen die Zeitungshäuser an, ihre Blätter zu entwerten. Wer ein Jahr den Spiegel abonniert, bekommt gleich 100 Euro cash überwiesen als Prämie. Wer sich zwei Jahre lang den heimischen Briefkasten mit der Berliner Zeitung befüllen lässt, bekam dafür unlängst eine 500-Euro-Gutschein (in Worten: fünfhundert) für ein neues Fahrrad. Monatlich kostete damit das Abo gerade mal noch vier Euro.

In fast jedem Mietshaus klebt an Briefkästen seit einiger Zeit neben „Bitte keine Werbung“ der Hinweis: „Auch keine Zeitungen“. Eigentlich ist es sogar noch viel schlimmer. Es ist nicht nur ein dramatischer Bedeutungsverlust, den Zeitungen erleiden – die Menschen haben sogar teilweise den Eindruck, mit den Produkten zugemüllt zu werden.

+++++ Work in progress – bald geht’s noch schlimmer weiter… +++++